NEURODIVERGENZ

Von Dimitri Chrissomallis
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(Stand 25.05.2025)

Als neurodivergent bezeichnet man Personen, die aufgrund von Besonderheiten ihres Nervensystems ein von einer neurotypischen Mehrheitsgesellschaft verschiedenes Erleben haben. Die Spannweite der Zustandsbilder ist dabei enorm groß. Es können einzelne oder eine ganze Bandbreite kognitiver Bereiche oder des emotionalen oder energetischen Ausdrucks beeinflusst sein. Oft genannt werden Besonderheiten bei der Verarbeitung von Zahlen und Buchstaben, der sozialen Wahrnehmung, des Sozialverhaltens, der Aufmerksamkeit, der emotionalen Intensität, des Gedächtnisses oder der allgemeinen Reizverarbeitung. Dabei kann der Umfang einer oder mehrerer Fähigkeiten erweitert oder einschränkt sein. Auch auf die Selbstwahrnehmung einer Person können sich neurodivergente Eigenschaften sehr unterschiedlich auswirken. Manche nehmen sie an sich selbst gar nicht wahr oder gehen davon aus, dass alle anderen die Welt auf die selbe Weise erleben. Insbesondere, wenn sich die Eigenschaft leistungssteigernd auswirkt und vom sozialen Umfeld positiv bewertet wird, wird sie nicht weiter hinterfragt. Die Neurodivergenz wird dann nicht erkannt, sondern die Leistung einer allgemeinen Begabung zugeschrieben. Wenn aber z.B. schulische oder berufliche Leistungen oder das soziale Zusammenleben beeinträchtigt werden, oder eine ungewöhnliche Wahrnehmung auffällt und Besorgnis auslöst, wird die Neurodivergenz im Rahmen eines Diagnoseverfahrens abgeklärt. Der Blick auf Neurodivergenz war darum häufig defizitorientiert und pathologisierend und ist es in der Wahrnehmung vieler Menschen nach wie vor.
Diese Perspektive ändert sich allmählich durch Aufklärungsarbeit neurodivergenter Interessengruppen und durch viele Prominente, die sich öffentlich zu ihrer Neurodivergenz bekennen und berichten, wie insbesondere diese Eigenschaften zu ihrem beruflichen Erfolg beigetragen haben. Neurodivergenz wird so mehr und mehr entpathologisiert und als eine akzeptierte Variante menschlicher Wahrnehmung angesehen. Wie im Falle von Autismus gibt es Personen, welche die Idee von Autismus als medizinischer Diagnose vollständig ablehnen. Kontrovers diskutiert wird dabei, dass dadurch an einem Ende des Spektrums hochfunktionale Personen weniger Diskriminierung erfahren, am anderen Ende jedoch Personen mit starken Beeinträchtigungen möglicherweise nicht mehr oder erschwert die professionelle Hilfe bekommen, die sie dringend benötigen. Im Falle von Autismus ist jedoch auch die Spannweite der Ausprägungsgrade so groß, dass beide Positionen ihre Berechtigung haben. 

Da sich das gesellschaftliche Leben an den Bedürfnissen neurotypischer Personen orientiert, ist der Alltag für divergente Personen nicht immer barrierefrei. Für neurosensitive Menschen kann Reizüberflutung in öffentlichen Verkehrsmitteln und Innenstädten so überfordernd sein, wie für Kinder mit Leserechtschreibschwäche oder AD(H)S der Schulalltag. Mit der Erkenntnis, dass es sich oft nicht um psychische Störungen handelt, ändert sich der Blick auf Neurodivergenz fortlaufend. Mit zunehmendem Verständnis gelingt es auch immer besser, Alltagsbarrieren zu beseitigen. Immer mehr Zustandsbilder werden in ihrem Krankheitswert überprüft und die Liste der als Neurodivergenzen erkannten Besonderheiten wird ständig erweitert. Als solche weithin anerkannt gelten inzwischen Autismus, AD(H)S, LRS, Hochbegabung, Synästhesie, Hochsensibilität, Dyskalkulie, Tourette-Syndrom und viele andere. 

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